Land befürchtet Verkehrsinfarkt in der Region Trier/Trostpflaster für staugeplagte Pendler

Dr. Karl-Georg Schroll

Minister Hering zappelt im Netz einer Fata Morgana

Nimmt man den letzten Halbsatz des Redakteurs Bernd Wientjes vom Trierischen Volksfreund (TV), so ist dieser kennzeichnend für die Absichten des rheinland-pfälzischen Verkehrsministers Hendrik Hering. Da steht „…hofft der Minister.“ Zwar bezogen auf 20.000 Fahrzeuge, die er sich wünscht, um den Hochmoselübergang bei Zeltingen-Rachtig zu legitimieren. Aber in Wirklichkeit ist dies symptomatisch für ein neues Vorhaben der Landesregierung: sie will die Region Trier vom Stau entlasten. Wie soll das passieren? Vorgeschlagen werden „olle Kamelle“ wie der Moselaufstieg oder eine Nordumfahrung durch den Meulenwald, ein relativ unberührtes Naherholungsgebiet. Hering hofft dadurch die Stadt Trier von 10.000 KFZ täglich zu entlasten. Er hofft auch, dass er diese Vorhaben in den „vordringlichen Bedarf“ bei dem 2015 zu erstellenden Bundesverkehrswegeplans (BVWP) einrücken kann. Ein vom Minister eigens bestellter Verkehrsgutachter bescheinigt dann auch, dass trotz des zu erwartenden Bevölkerungsrückgangs mehr KFZ unterwegs sein würden. Begründung: mehr jüngere Leute würden Autofahren. Vom demografischen Wandel hat der Gutachter offensichtlich noch nichts gehört, auch nicht davon dass zwar mehr ältere Menschen zukünftig über Führerschein und Auto verfügen würden, aber gleichzeitig diese Alterskohorte viel lieber den öffentlichen Verkehr nutzen wollen würden. Ergo: diese Massenbelastung, um diese „ollen Kamellen“ zu begründen, wird nicht vorhanden sein. Nichts ist so unsicher wie eine Prognose oder andersrum: ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe.

Das ganze Vorhaben soll schlappe 186 Mio. Euro kosten, die finanziellen Aufschläge, die in der Realisierungszeit noch auflaufen, nicht eingerechnet (s. Kostenentwicklung Nürburgring). Wann soll ein solches Projekt fertiggestellt werden? Der BVWP kommt erst 2015, Planungen danach dauern erfahrungsgemäß länger als zehn Jahre. Ein „vordringlicher Bedarf“ lässt sich ohne Begründung wieder in einen weniger vordringlichen ändern. In Deutschland gibt es schließlich viele Begehrlichkeiten und die Finanzdecke ist äußerst dünn. Über neue Straßen und deren Finanzierung lässt sich wohlfein reden, wenn man sich auf andere, die bundespolitische Ebene, berufen kann. Was ist mit dem Erhalt bzw. Unterhalt des jetzigen Straßennetzes in der Region Trier? Es wäre vordringlicher im Bedarf, diese zu reparieren, damit ein Mindestmaß an Verkehrssicherheit gewährleistet ist. Die schon mehrmals angesprochene „Ehranger Brücke“ steht kurz vor dem Kollaps. Der Moloch Autoverkehr frisst nicht nur jede Menge an Finanzmittel, sondern zerstört auch die weitere Infrastruktur und die ökologischen Grundlagen. Wie viel Beton muss noch in die Region Trier fließen?

Ein sinnvoller Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) wird extrem vernachlässigt. Da kann auch der neue – durchaus zu begrüßende – RLP-Takt 2015 nicht darüber hinwegtäuschen. Denn trotzdem fehlt für Pendler, die täglich im Stau stehen, eine wirksame Bahnverbindung nach Luxemburg. Es ist eine Farce, mit ein paar Pinselstrichen die PKW-Pendler zu vertrösten. Für Schienenverkehr ist bezeichnenderweise kein Geld in den „vordringlichen Bedarf“ eingestellt. Die Binnenerschließung, die ÖPNV-Angebote jenseits des Schienennetzes, bedarf einer Ergänzung durch einen abgestimmten und flexiblen Busverkehr. Die zeitlichen und räumlichen Lücken sind erheblich, weil im ländlichen Raum der Schülerverkehr die Taktraten vorgibt. Schüler werden immer weniger. Der Schülerverkehr wird sich ändern. Wo bleibt dann das ÖPNV-Angebot, welches die Daseinsvorsorge erfüllt?

Der Minister sät Angst, indem er behauptet, ein Verkehrsinfarkt bedroht die Region. Um einen Infarkt abzuwenden, bedarf es eines Vorsorgeprogramms. Das bleibt der Minister schuldig. Dabei ist Prophylaxe die einzige Strategie, die helfen kann. Vorausschauende Planung kann man nicht erkennen. Hering bläst ziemlich viel heiße Luft in den Äther. Seine Lösungsmöglichkeiten bauen auf eine Fata Morgana, die bei näheren in sich zusammenfallen wird. Denn nichts ist sicher: weder seine Verkehrsprognosen, noch sein Zukunftsszenario, darüber hinaus seine Finanzierungsmöglichkeiten: Bund arm, Land arm, Kommune arm. Meine Frage: wollte der Minister uns etwas weis machen, oder war es ein vorgezogenes Wahlkampfmodul? Sicher ist nur, dass er wohl beides zusammengedacht hat.

Dr. Karl-Georg Schroll
Verkehrswissenschaftler